Umbruchsituationen bringen die Menschen zum Nachdenken. „Paradigmenwechsel“ nannte das der amerikanische Philosoph Thomas S. Kuhn für die Wissenschaft. Der Klimawandel stellt eine solche Umbruchsituation dar. Konkret heißt das für die Landwirtschaft einen Fokus auf Humusaufbau. Und gerade in Sachen Humus gibt es einen „Paradigmenwechsel“ mit Konsequenzen für die praktische Bodenbewirtschaftung.
Die neue Theorie
Anfang der 2010er Jahre brachten zwei Fachartikel in der Zeitschrift Nature die Humusdebatte ins Rollen. Sie stürzten zentrale Säulen der traditionellen Sicht auf Humus und Humusaufbau. Der einstige Blick auf Humus war geprägt von der Brille chemischer Qualität. Nährhumus waren die schnell abbaubaren organischen Materialien wie Zwischenfrüchte. Quelle für Dauerhumus die verholzten Ernterückstände. Im Mittelpunkt des stabilen Humus standen die namensgeben-den Huminstoffe.
Die neue Theorie betrachtet Humus durch eine biologische Brille. Nicht auf die Chemie der Stoffe kommt es an, sondern auf „Ökosystemeigenschaften“, die den mikrobiellen Abbau der Pflanzenreste zu CO2 verlangsamen oder unterbrechen. Alle Stoffe aus dem vielfältigen Mix an Wurzel- und Ernterückständen unterliegen im Boden einem mehr oder weniger ähnlichen mikrobiellen Abbaupfad. Aus großen Datensätzen über „Halbwertszeiten“ ließen sich keine substanziellen Unterschiede aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung herauslesen. Bei den Huminstoffen wird darüber hinaus diskutiert, ob diese Stoffgruppe als Naturstoff in (Mineral)böden überhaupt vorkommt.
Humusaufbau ist also die Folge einer Unterbrechung des mikrobiellen Abbaus der Pflanzenreste im Boden. Die Gründe können vielfältig sein. Bodenmikroben kann der Zugang zu organischen Reststoffen durch Einbau in Aggregate abgeschnitten werden. Organische Säuren aus Wurzelausscheidungen können sich fest an Mineralbodenteilchen (Ton, Eisenoxide) anbinden und damit dem Zugriff von Abbauenzymen entgehen. Der Schlüssel für das Verständnis liegt in der Mikrobiologie.