Viele landwirtschaftlichen Betriebe betreten neue Wege. Ein wesentlicher Schritt dabei ist die Brücke zum Konsumenten. Das heißt, sie werden vom Lieferanten für landwirtschaftliche Rohprodukte zum Anbieter regalfertiger Lebensmittel. Parallel dazu bieten die Betriebe dem Kunden auch ein Einkaufserlebnis oder den Blick in die Herstellung der Produkte am Bauernhof an.
Interview mit Dipl.-HLFL-Ing. Erich Mandl, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens pbeg GmbH
LU aktuell: Sie bieten seit 23 Jahren Beratungsleistungen für die Landwirtschaft an. Welche Trends in der Entwicklung der Landwirtschaft nehmen Sie wahr?
Mandl: Der herkömmliche Weg, dass die Landwirtschaft noch billiger produziert, ist in vielen Gebieten Österreichs nicht gangbar. Die Betriebe können nur überleben, wenn sie Wertschöpfung für ihre Arbeit erzielen und dabei für die Produkte kostendeckende Preise bezahlt bekommen.
Für die Landwirtschaft bestehen sehr wichtige Merkmale und Chancen, die wir nützen sollen. Dazu zählen Regionalität, Nachvollziehbarkeit und das Vertrauen in unsere Produkte. Ich habe vor 19 Jahren die Initiative „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“ mitbegründet. Im Rahmen dieser regionalen Vernetzung wird Kulinarik zum Erleben, Genießen und Einkaufen gemacht. Die Kunden interessieren sich, wie Ihre Lebensmittel erzeugt werden. Weiter stelle ich fest, dass Landwirtschaft und Wirtschaft enger zusammenwachsen. In unserer regionalen Initiative arbeiten die verschiedensten Betriebe aus beiden Sektoren zusammen.
LU aktuell: Hat für Sie die Corona-Pandemie eine Veränderung mitgebracht?
Mandl: Auf alle Fälle, denn Regionalität hat in der Wertung zugenommen und ist in aller Munde. Aus der Initiative „Bucklige Welt“ ist heute eine regionale Marke geworden, der mittlerweile 85 Mitglieder angehören. Das Thema Regionalität hat sich vom Lifestyle-Gedanken zur Überlebensfrage für die Betriebe entwickelt. Nahversorger ums Eck werden seit dem ersten Lockdown anders wahrgenommen. Eine höhere Wertschätzung dieser hochwertigen Produkte und deren Produzenten ist eindeutig bemerkbar. Nichtsdestotrotz ist die aktuelle Situation in der Gastronomie, bei den Hotel- und Beherbergungsbetrieben, im Seminarbereich und den Zulieferbetrieben dramatisch. Wir brauchen eine rasche Normalisierung und ein Ende der Pandemie.
LU aktuell: Wie geht es bei den landwirtschaftlichen Betrieben weiter?
Mandl: Viele Betriebe sind gut aufgestellt. Die Direktvermarktung hat in den letzten drei Jahrzehnten ein Nischendasein geführt. Einige Vorreiter haben dabei gezeigt, dass man mit der Vermarktung regionaler Produkte erfolgreich sein kann. Die nun erhöhte Nachfrage hat aber auch Mängel offenbart. Es kommt jetzt ein neues Zeitalter der Direktvermarktung. Viele landwirtschaftlichen Betriebe haben das bisher nur im Nebenerwerb betrieben. Leider ist das Thema Mitarbeiter in der Landwirtschaft nach wie vor verpönt. Vieles ist dabei auf dem Rücken der Bäuerin ausgetragen worden, die sich um den gesamten Bereich der Direktvermarktung gekümmert hat. Da stößt man schnell an die Grenzen des Möglichen. Jetzt kommt eine neue Art der Direktvermarktung. Es entstehen Lebensmittelmanufakturen mit regionalen Mitarbeitern, Rohstoffen, Produzenten und Produkten. Die Direktvermarktung wird eine Renaissance erfahren, die gewaltig ist.
LU aktuell: In den Regionen bestehen viele landwirtschaftliche Betriebe mit tollen Produkten. Vielfach liegt es aber am Marketing, diese Produkte zum Kunden zu bringen. Was kann man dabei verbessern?
Mandl: Wir sprechen hier ganz klar von einem Bildungsproblem. An den Schulen wird leider oft noch nach alten Lehrplänen unterrichtet, wo die Produktion in allen Facetten das wichtigste ist, aber die zeitgemäße Vermarktung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wir bräuchten schon sehr früh die Fächer „Konsumentenkunde“ bzw. Social Media, wo wir unsere Kunden mit Informationen versorgen. Hier ist die Politik aufgerufen, dringend erforderliche Anpassungen durchzuführen. Weiter bin ich überzeugt, dass standardisierte Arbeiten in der Außenwirtschaft nicht jeder Landwirt selbst erledigen muss. Dafür gibt es Profis und der Landwirt soll seine Ressourcen in der Vermarktung der Produkte, bei der Verbesserung des erzielbaren Erlöses, den Anforderungen des Kunden und der Optimierung eigener Wertschöpfungsprozesse, einsetzen. Ich sehe das ganz klar: Solange Marketing nicht gelehrt wird, wird es auch nicht passieren. Im Grunde geht es immer nur um die Frage: Wie tickt meine Zielgruppe, sprich die kaufkräftigen Konsumenten aus dem urbanen Raum? Wir haben folgende Situation: Rund um die Bucklige Welt gibt es Millionen potenzieller Konsumenten, dazwischen müssen Hunderte von Bauern aufgeben. Das ist rein ein Bildungs- und Kommunikationsproblem, sonst gar nichts.
LU aktuell: Welche Schritte sind erforderlich und wie macht man es dann richtig?
Mandl: In den letzten Jahren sind in der Buckligen Welt beispielsweise einige Schaubetriebe entstanden. Die Erfolge sind bekannt. Die haben eines gemeinsam: Sie haben sich mit dem Konsumenten auseinandergesetzt, nach dem Motto „Ausliefern, nicht abliefern“. Wir können in der Buckligen Welt keine Masse produzieren, wir brauchen verkaufsfähige tolle Produkte. Die Menschen haben Zeit und sind bereit Geld für gute Produkte auszugeben. Wir müssen sie dafür gewinnen und mit unseren Angeboten abholen – mit einem hochwertigen und leistbaren Produkt.
LU aktuell dankt für das Interview. Wir wünschen Ihnen und den Landwirten alles Gute.
Das Beratungsunternehmen pbeg GmbH hat seinen Sitz in Lichtenegg in der Buckligen Welt und unterstützt Betriebe in strategischen Fragen und bei der Umsetzung von Projekten. Herr Mandl steht bei Fragen gerne zu Ihrer Verfügung. Kontakt: E: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, T: 02643/701050, I: www.pbeg.at